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Gesundheitsrisiko durch verwilderte Haustauben

Stadttauben stellen ein beträchtliches Gesundheitsrisiko für den Menschen dar und können über 100 humanpathogene Infektionskrankheiten übertragen. Außerdem verbreiten sie zahlreiche Antigene, die allergische Reaktionen hervorrufen können. Taubenparasiten, wie Milben oder Zecken, können auch den Menschen befallen. Dort wo Tauben brüten oder rasten, werden durch die Abgabe von Kot Säuberungs- und Sanierungsmaßnahmen von Dächern, Fassaden und Dachstühlen nötig. Die Haustaube gilt daher zugleich als Hygiene- und Materialschädling. Dieser Beitrag soll besonders Schädlingsbekämpfer und Gebäudereiniger über Gesundheitsgefahren informieren, die von Straßentauben ausgehen.

Die Biologie der Haustaube

Die Haustaube (Columba livia domestica) ist ein rund 33 cm großer Vogel mit einem oft graublauen Gefieder. Die Stammart der Haustaube ist die im Mittelmeergebiet heimische Felsentaube, die der Mensch vor ca. 5.000 Jahren domestiziert hat. Während die Felsentaube noch heute ihre Nester in steilen Felsformationen anlegt, lebt die Straßentaube in den Häuserschluchten der Großstädte. Im Verlauf der Domestikation ging das ausgeprägte Aggressionsverhalten der Felsentaube weitgehend verloren, weshalb Straßentauben auf engstem Raum brüten können und riesige Schlaf-, Brut- und Futterplatzgemeinschaften bilden. Man schätzt den weltweiten Bestand an Stadttauben auf mehrere Hundert Millionen Individuen. Die Art ist auch deshalb so erfolgreich, da sie sich verändernden Umweltbedingungen leicht anpassen kann. So sind die in unseren Städten lebenden Straßentauben Allesfresser, die sich vollständig an das Nahrungsangebot in der Stadt angepasst haben. Auch hinsichtlich ihres Verhaltens sind Straßentauben unglaublich flexibel. Der Mangel an geeigneten Brutplätzen in der Stadt hat dazu geführt, dass Tauben, die ursprünglich reine Höhlenbrüter waren, mittlerweile völlig artuntypische Brutplätze nutzen. Das Nest kann aus wenigen Zweigen, Draht, Kabelbindern oder ähnlichem errichtet werden und wird meist auf Dachböden und Hausfassaden angelegt. Vorsprünge von Hausfassaden müssen breiter als zehn Zentimeter sein und dürfen keinem direkten Regeneinfall ausgesetzt sein um den Tieren als Brutplatz dienen zu können. Pro Jahr sind mehr als vier Bruten möglich, wobei pro Brut stets nur zwei Jungvögel aufgezogen werden. Ein einzelnes Brutpaar kann bis zu zwölf Nachkommen pro Jahr aufziehen.

Tauben als Materialschädlinge

Eine Taube kann pro Jahr zehn bis zwölf Kilogramm Kot produzieren, der Fassaden, Denkmäler, Bürgersteige und Strassen verschmutzt. Dort wo Tauben brüten oder rasten können sich große Mengen Taubenkot ansammeln. Die Verschmutzung von Gebäudefassaden, Leuchtreklamen oder Denkmälern durch Taubenkot ist optisch unschön und macht regelmäßige und teure Säuberungsmaßnahmen notwendig. Auch können Exkremente und Federn der Tiere Dachrinnen und Fallrohre verstopfen.

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Die im Taubenkot enthaltene Harnsäure fördert die Korrosion von Metallen, so dass Leitungen rosten und undicht werden oder Autolack abblättert. Auch Stein und Beton werden durch Taubenkot angegriffen, wenn durch mikrobiellen Abbau aus den hier enthaltenen Proteinen und organischen Säuren salpetrige Säure und Salpetersäure entstehen. Diese Säuren reagieren mit dem im Gestein enthaltenen Kalziumkarbonat zu Kalziumnitrat, wodurch kalkhaltiges Gestein zerstört wird. V. a. aber bietet Taubenkot zahlreichen pilzlichen Mikroorganismen, die bei der Zerstörung von Gestein eine wichtige Rolle spielen, einen idealen Nährboden.

Die durch Straßentauben verursachten volkswirtschaftlichen Schäden sind nur schwer abschätzbar. Allein in einer Großstadt wie München wird der jährliche materielle Schaden durch die dort lebenden Tauben auf eine Million Euro geschätzt.

 

 

Abbildung 1: Unterhalb der Rast- bzw. Brutplätze von Stadttauben (Columba livia domestica) sammeln sich große Kotmengen an

Abbildung 1: Unterhalb der Rast- bzw. Brutplätze von Stadttauben (Columba livia domestica) sammeln sich große Kotmengen an

Abbildung 2: Die im Taubenkot enthaltene Harnsäure fördert die Korrosion von Metallen - daher gelten Stadttauben (Columba livia domestica) auch als Materialschädlinge

Abbildung 2: Die im Taubenkot enthaltene Harnsäure fördert die Korrosion von Metallen - daher gelten Stadttauben (Columba livia domestica) auch als Materialschädlinge

Straßentauben als Hygieneschädlinge

Krankheitserreger wie Bakterien oder Pilze können über Körpersekrete und Exkremente infizierter Straßentauben, v. a. aber über kontaminierten Staub durch die Luft verbreitet werden. Da es bei der mechanischen Beseitigung von Taubenkot zu starker Aerosolbildung kommt besteht v. a. für Schädlingsbekämpfer und Gebäudereiniger ein hohes Risiko sich mit humanpathogenen Krankheitserregern zu infizieren, die durch Tauben übertragen werden.

Abbildung 3: Straßentauben (Columba livia domestica) können mit zahlreichen humanpathogenen Krankheitserregern infiziert sein (Foto: S. Feiertag)

Abbildung 3: Straßentauben (Columba livia domestica) können mit zahlreichen humanpathogenen Krankheitserregern infiziert sein (Foto: S. Feiertag)

Abbildung 4: Taubenkot von Straßentauben (Columba livia domestica) stellt für Pilze, wie den Erreger der Cryptococcose, ein ideales Nährmedium dar

Abbildung 4: Taubenkot von Straßentauben (Columba livia domestica) stellt für Pilze, wie den Erreger der Cryptococcose, ein ideales Nährmedium dar
 

Straßentauben können zahlreiche humanpathogene Krankheitserreger beherbergen und werden als biologische Träger bezeichnet, wenn sich Krankheitserreger direkt in ihrem Körper vermehren können. In diesem Fall scheiden infizierte Vögel den Erreger über Kot oder Körpersekrete aus. So kann beispielsweise der Erreger der Papageienkrankheit, das Bakterium Chlamydophila psittaci, auch über eine längere Zeitspanne hinweg ausgeschieden werden. Falls sich der Erreger dagegen nicht im Wirt selbst vermehren kann, werden die Tauben als mechanische Träger bezeichnet. Der Erreger kann in diesen Fällen auf der Körperoberfläche der Tiere auftreten, den Verdauungstrakt passieren oder sich im Kot außerhalb des Wirtes vermehren und so indirekt durch Tauben auch auf den Menschen übertragen werden. So stellt Taubenkot z. B. für den Erreger der Cryptococcose, den Pilz Cryptococcus neoformans, ein ideales Nährmedium dar. Bislang wurden bei verwilderten Haustauben 109 humanpathogene Organismen bzw. Serotypen nachgewiesen, die potenziell von erkrankten Vögeln auf Menschen, Haus- oder Nutztiere übertragen werden können. Bislang wurden mindestens sieben Viren, 41 Bakterien, 55 Pilze und sechs Einzeller nachgewiesen. Darüber hinaus können Straßentauben Bandwürmer, Saugwürmer, Rundwürmer, Insekten, Zecken und Milben übertragen. Taubenkot spielt bei der Verbreitung von Krankheiten eine wichtige Rolle. So können sich in Taubenkot zahlreiche Fliegenarten entwickeln. Taubenkot kann zudem humanpathogene Organismen enthalten, die auch nach der Darmpassage oft noch infektiös sind. Darüber hinaus stellt Taubenkot für zahlreiche Schimmel- und Hefepilze einen idealen Nährboden dar. Nahrungsmittel können durch Federn, Ektoparasiten, tote Vögel und den Kot der Vögel verunreinigt werden. Auch scheinbar gesunde Tauben können Krankheitserreger verbreiten.

Obwohl bei der Untersuchung von verwilderten Haustauben bislang 109 humanpathogene Organismen nachgewiesen wurden, konnte erst für sieben dieser Krankheitserreger eine Übertragung von infizierten Tauben auf den Menschen nachgewiesen werden. Zwischen 1941 und 2006 wurden insgesamt 230 solcher Fälle bekannt. Vermutlich liegt die tatsächliche Zahl der Übertragungen aber weit höher, da ein Zusammenhang zwischen der Erkrankung und einem vorausgehenden Kontakt mit Tauben wohl meist nicht vermutet und daher auch nicht näher untersucht wird. In 13 Fällen starben die infizierten Personen an den von Tauben übertragenen Krankheiten. Mehrheitlich wurden die Patienten entweder mit dem Bakterium Chlamydophila psittaci, dem Erreger der Papageienkrankheit (Ornithose), oder mit dem Pilz Histoplasma capsulatum, dem Erreger der Histoplasmose, infiziert. In jeweils einem Fall kam es zur Übertragung des Bakteriums Salmonella enterica (Serotyp Kiambu), das die sog. Salmonellose auslöst, sowie des Einzellers Toxoplasma gondii, dem Erreger der Toxoplasmose. 12-mal wurde die Übertragung von Candida parapsilosis, einem Hefepilz, nachgewiesen. In 13 weiteren Fällen steckten sich Menschen mit Schimmelpilzen aus der Gattung Aspergillus an. Der Hefepilz Cryptococcus neoformans, der Erreger der Cryptococcose, wurde erwiesenermaßen 11-mal von Straßentauben auf den Menschen übertragen.

Tabelle 1: Nachgewiesene Krankheitsübertragungen von Straßentauben (Columba livia domestica) auf den Menschen. B: Bakterium; P: pilzlicher Erreger; E: Einzeller

Krankheitserreger
Anzahl der Fälle
Tödlicher Verlauf
Chlamydophila psittaci (B)
101
2
Salmonella enterica (Serotyp Kiambu) (B)
1
0
Aspergillus sp. (P)
13
9
Candida parapsilosis (P)
12
0
Cryptococcus neoformans (P)
11
2
Histoplasma capsulatum (P)
91
0
Toxoplasma gondii (E)
1
0
Gesamt
230
13

Von Tauben übertragene Pathogene können auf verschiedenen Wegen in den menschlichen Organismus gelangen. Die größte Bedeutung kommt dabei der Aufnahme pathogener Organismen über die Atemluft zu. Von den bisher beschriebenen Krankheitsübertragungen erfolgten 99,6 % über die Atemluft. Daneben erscheint auch die Aufnahme von Krankheitserregern über verunreinigte Nahrung als recht wahrscheinlich, obwohl entsprechende Fälle bislang nicht zweifelsfrei dokumentiert werden konnten. Eine Übertragung humanpathogener Organismen der Taube auf den Menschen über die Haut (durch direkten Hautkontakt oder infolge einer Verletzung) kommt dagegen wohl nur in Ausnahmefällen vor. Bisher wurde lediglich ein Fall einer sog. perkutanen Infektion beschrieben, nachdem ein HIV-positiver Patient durch eine Straßentaube verletzt worden war.

Eine weitere Erkrankung des Menschen, die durch Straßentauben ausgelöst werden kann, ist die allergische Alveolitis oder auch „Taubenzüchterlunge“. Seit dem Jahr 2000 wurden neun Fälle bekannt, bei denen die Erkrankung definitiv durch den Kontakt mit Straßentauben ausgelöst wurde. In einem Fall nahm die Erkrankung einen tödlichen Verlauf. Bei der allergischen Alveolitis findet die allergische Reaktion nicht an den Augen, der Nase, der Haut oder den Bronchien, sondern v. a. in den Lungen statt. Die Lungen reagieren mit einer Entzündung, die aber nicht wie beim "Heuschnupfen" unmittelbar nach Einatmen des Allergens einsetzt, sondern um vier bis zwölf Stunden verzögert wird. Allergene, die diese Erkrankung auslösen, sind vorwiegend tierische Eiweiße. Sie kommen in Staub und Kot von Tauben oder anderen Vogelarten vor. Jeder neue Kontakt mit dem Allergen löst einen Entzündungsvorgang aus, der mit Veränderungen im Lungengewebe einhergeht. Ohne Behandlung entwickeln sich zunehmend Lungenbezirke mit Narbengewebe, wodurch die Atmung massiv erschwert wird. Schließlich wird auch das Herz geschädigt. Teilweise treten Beschwerden wie bei einer Lungenentzündung auf: hartnäckiger Husten, Atembeschwerden, Fieber und Frösteln sowie eine rasche Atmung und schneller Puls. Bei chronischem, schleichendem Verlauf überwiegen ein allgemeines Krankheitsgefühl (grippeähnliche Symptome) mit Muskelschmerzen, besonders in den Waden, eine deutliche Gewichtsabnahme und nachlassende körperliche Belastbarkeit.

Anmerkung: Dieser Artikel erschien in der Aprilausgabe 2010 des DpS (Der praktische Schädlingsbekämpfer).